Preisbuch 2019: Steven Herrick – Ich weiß, heute Nacht werde ich träumen

Der australische Autor Steven Herrick und der deutsche Übersetzer Uwe-Michael Gutzschhahn erhalten den Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreis der Deutschen Bischofskonferenz für das im Thienemann Verlag erschienene Buch „Ich weiß, heute Nacht werde ich träumen“. Die Jury unter Vorsitz von Weihbischof Robert Brahm (Trier) hat das diesjährige Preisbuch aus 190 Titeln ausgewählt, die von 60 Verlagen eingereicht wurden. Das Preisgeld in Höhe von 5.000 Euro wird zwischen Autor (4.000 Euro) und Übersetzer (1.000 Euro) aufgeteilt.

Steven Herrick entführt den Leser in eine australische Kleinstadt der 60er Jahre, in das Leben von Harry und dessen jüngerem Bruder Keith. Nach dem frühen Tod der Mutter hält der Vater die Familie zusammen. „Harry schildert seine Erlebnisse auf dem Weg ins Erwachsenwerden in einer Offenheit, die anrührt“, so Weihbischof Brahm. „Frank und frei vertraut er uns Lesenden an, was in ihm vorgeht: seine diebische Freude, wenn ein Streich gelingt, sein Ringen mit dem Verlust der Mutter und der Freundin, die großen und kleinen Fragen, die sich auftun im Abenteuer des Erwachsenwerdens.“

Der Katholische Kinder- und Jugendbuchpreis wird in diesem Jahr zum 30. Mal vergeben. Der Vorsitzende der Publizistischen Kommission der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Gebhard Fürst (Rottenburg-Stuttgart), zeichnet die Preisträger am 23. Mai 2019 in Hamburg aus.

Jurybegründung

Gegen Ende des Romans wird in dessen rhythmisierendem Stil die Theodizeefrage gestellt. Ist es Gott, der Knöpfe drückt, Lastwagen in den Fluss lenkt und „den Krebs / so tief in Mrs Evans hineinsetzte, / dass sie Blut / über den Ladentisch spuckte“? Der Gedankenstrom, dem das 14-jährige Ich Harry dabei folgt, entspricht dem Fluss, der den Roman wortwörtlich durchfließt – dem Originaltitel „by the river“ entsprechend.

An diesem Fluss lebt Harry mit seinem Vater und seinem jüngeren Bruder Keith und an diesem Fluss findet Harry hinein ins Leben. Dem Moment des Staunens folgend erforscht er die Flusslandschaft gleichermaßen wie die Menschen, die hier leben. Und kehrt immer wieder zurück zum Schwemmgebiet des Pearce Swamp. Dort lässt Harry sich gerne im Wasser treiben, sieht hinauf in den „vollkommen wolkenlosen Himmel“ und lauscht seinem Atem; dort ist Harry alleine „mit dem Geist / des Sumpfes / irgendwo bei den Trauerweiden“. Dort also zeigt sich situativ und literarisch eindringlich, dass der Fluss das Werden und Vergehen markiert; dass er gibt, aber auch nimmt: Harrys Mutter ist an den Ufern des Flusses bei einem Autounfall gestorben, als Harry sieben Jahre alt war.

Und Linda Mahony, die Harry damals mit ihrer Zuversicht, ihrem Vertrauen auf einen Himmel und mit ihrem bittersüßen Orangenkuchen zu trösten wusste, stirbt sieben Jahre und vier Tage später im Hochwasser. In diesen Zeitraum sind Steven Herricks Miniaturen gestellt: Einzelne, in lyrischer Prosa gehaltene Kapitel, die jeweils für sich lesbar sind und sich doch zu einem berührenden Gesamtbild zusammenfügen. Einem expliziten chronologischen Handlungsverlauf verweigert sich der Roman und spiegelt damit Harrys Notwendigkeit, die Wirkmacht der Ereignisse in einen sinnstiftenden Zusammenhang zu bringen. Das transitorische Moment von Kindheit und Adoleszenz geht dabei über in ein Erzählen entlang des Flusses und durch dessen metaphorische Strudel hindurch. Wortlos sind die drei Männer ins Harrys Familie dabei einander Arche. Wortlos und durchaus in seiner eigenen Hilflosigkeit und Verletzung gefangen steht der Vater für die Söhne ein und ist ihnen jener gute Hirte, der die Nacht über wacht, „falls sein Sohn ihn braucht, / der keine Kurve schafft, / mit der Seifenkiste“.

Steven Herrick verortet seinen Roman in den frühen 1960er Jahren und bleibt doch zeitlos, wenn er verschrobene Figuren aus der Gemeinschaft der Kleinstadt herausschält, sie episodenhaft auftauchen und wieder verschwinden lässt. Einzig Johnny Barlow durchzieht in seiner feisten Art die Ereignisse über mehrere Jahre hinweg. Er tritt wie ein kindlicher Halbstarker auf und scheint durch das Faustrecht an Harry gebunden. Erst am Ende zeigt sich – natürlich am Pearce Swamp – ein überraschend verbindendes Moment zwischen den mit den kargen Verhältnissen in der Kleinstadt ringenden Jugendlichen. Zu diesem Zeitpunkt hat Harry bereits Claire kennen gelernt. Claire, die den Fluss ganz neu deutet und Harrys Leben und Erleben damit noch einmal neu überschreibt. Denn wenn der Regen kommt, werden die Staubecken geflutet und die Bäche gefüllt. „Es ist, als wenn Gott / noch einmal von vorne anfängt.“

Zum Autor

Steven Herrick wurde 1958 in Brisbane (Australien) als jüngstes von sieben Kindern geboren. Er studierte Literatur und arbeitet seit vielen Jahren als Schriftsteller insbesondere für Lyrik. Steven Herrick lebt mit seiner Frau in der australischen Stadt Katoomba in den Blue Mountains und hat zwei erwachsene Söhne. Das englische Original des Buches „by the river“ erschien bereits im Jahr 2004. Es erhielt zahlreiche Preise, darunter den Ethel Turner Prize for Books for Young Adults.

Zum Übersetzer

Uwe-Michael Gutzschhahn, geboren 1952 in Langenberg/Rheinland, studierte Germanistik und Anglistik und lebt heute als Übersetzer, Herausgeber, Autor und Lektor in München. Im Jahr 2011 erhielt er den Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreis für die Übersetzung von „Einmal“ von Morris Gleitzman. Im vergangenen Jahr wurde er mit dem Sonderpreis des Deutschen Jugendliteraturpreises für sein übersetzerisches Gesamtwerk ausgezeichnet. 

Weihbischof Robert Brahm über das Preisbuch

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