Preisbuch 2020: Susan Kreller – Elektrische Fische

Susan Kreller erhält den Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreis 2020 der Deutschen Bischofskonferenz für das im Carlsen Verlag erschienene Buch „Elektrische Fische“. Die Jury unter Vorsitz von Weihbischof Robert Brahm (Trier) hat das diesjährige Preisbuch aus 231 Titeln ausgewählt, die von 71 Verlagen eingereicht wurden.


Hinweis: Absage der Preisverleihung 2020 des Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreises

Aufgrund der Ausbreitung und Maßnahmen zur Eindämmung des Covid-19 Virus wird die 31. Preisverleihung des Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreises nicht wie geplant am 27. Mai 2020 im Erbacher Hof in Mainz stattfinden können. Die diesjährige Preisträgerin Susan Kreller soll im Rahmen der Preisverleihung im kommenden Jahr ausgezeichnet werden. Die 32. Preisverleihung des Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreises findet am 20. Mai 2021 in der Internationalen Jugendbibliothek in München statt.
Mehr lesen: Aktuelle Meldung vom 24. April 2020

Über das Preisbuch

Susan Kreller erzählt die Geschichte von Emma, die mit ihrer Familie das vertraute Dublin verlassen muss und zu ihren deutschen Großeltern in ein kleines Dorf in Mecklenburg-Vorpommern zieht. Nur wenige Stunden nach der Ankunft in Deutschland ist für Emma klar, dass sie nach Hause zurück will. An den Romanfiguren zeigt sich, „wie unterschiedliche Menschen den Begriff Heimat für sich definieren und mit dem Verlust des Zuhauses umgehen“, so Weihbischof Brahm. Die Leser erleben Emmas Dazwischen-Sein, ihr Fremdfühlen an dem Ort, der ab nun ihr Zuhause sein soll. Die Jury empfiehlt das Buch für Jugendliche ab 13 Jahren.

Der Katholische Kinder- und Jugendbuchpreis wird in diesem Jahr zum 31. Mal vergeben und ist mit 5.000 Euro dotiert.

Jurybegründung

„Home“. Der Begriff ist „so kurz wie ein Ausatmen“. Und in Irland auch „so wichtig wie Atmen“. Die deutsche Sprache hingegen nutzt ein zweisilbiges Wort: „Hei-mat“. Diese Zweisilbigkeit birgt bereits die Möglichkeit eines „Dazwischen“, wie Emma es formuliert. Denn in einem solchen Dazwischen findet Emma sich wieder, als sie mit ihrer Mutter und den Geschwistern von Irland nach Deutschland zieht. An einen Ort, den andere längst verlassen haben und der Emma auf den ersten Blick entleert und peripher scheint: Velgow, ein fiktives Dorf in Mecklenburg-Vorpommern. Die Topografie spiegelt dabei die Entwurzelung Emmas ebenso wie all jene Gerüche und Gefühle, die der Ich-Erzählerin fremd erscheinen. Zuallererst jedoch spiegelt sich diese Fremdheit in der Sprache wider. So sagt Emma: „Ich bin in einem Deutsch gelandet, in dem ich mich immer wieder verlaufe.“

Ganz aus der Situation heraus schildert die Autorin in poetischen Bildern die Erlebnisse einer jugendlichen Figur, die über die unterschiedlichen Dimensionen von Heimat und Zugehörigkeit nachdenken lassen, ohne dabei reflexartig in Nationalismen zu verfallen. Denn Heimat ist für Emma und deren Familie eine Frage der identitätsstiftenden Verortung im eigenen Leben und damit ausdrücklich an familiäre, sprachliche und alltagskulturelle Erfahrungen gebunden. Dort, wo scheinbar längst alles dichtgemacht wurde, öffnen sich für Emma neue Möglichkeiten unerwarteter Beheimatung. Das „harte Brot“ der Illusion von Heimat weicht nach und nach jenen zwischenmenschlichen Gesten und Erfahrungen, mit denen ein Verstummen, Erstarren oder Überspielen der Gefühle in eine neue Dynamik zwischen Fremdheit und Vertrautheit mündet.

Die mit der neuen Situation überforderten Großeltern, Emmas Schwester Aoife, die aufgehört hat zu sprechen, Emmas Bruder Dara, der die Partygewohnheiten der Dorfjugend inhaliert, Emmas Mutter, die ihre Zeit am Kaffeehaustischchen des örtlichen Bäckers verbringt – sie alle machen in vielen kleinen, aber mit immenser sprachlicher Exaktheit geschilderten Beobachtungen sichtbar, woran sich die eigene Verlorenheit zeigt und wie durch minimale Verschiebungen letztlich doch Neu-Verortungen möglich werden. Ganz im Sinne der Tauferfahrung erlebt Emma dabei die Transformation ihrer scheinbar ausgetrockneten, brachliegenden Existenz.

Das Motiv Wasser findet in mehrfacher Hinsicht Eingang in den Roman, der in seiner rhythmisierten Struktur den Erfahrungsprozess seiner Ich-Erzählerin spiegelt (wobei längere, narrative Abschnitte und kurze, verdichtete Einschübe aufeinander folgen): Die Ostsee vermag Emmas Sehnsucht nach dem Meer längst nicht zu befriedigen. Entsprechend erscheint ihr auch der Mitschüler, den sie hier am Strand trifft, „dünn wie Schilfgras“. Und dennoch ist es gerade dieser Levin, der in einer Welt gebrochener Erwachsenenfiguren jene Akzente setzt, die Emma Halt geben. Seine vermeintliche Wortkargheit lässt Emma neue Worte für ihre eigene Situation finden und kennenlernen. Ihre Fremdheitserfahrung wird dabei in der Begegnung mit Levins Mutter gesteigert, vor deren hexenhaft-bipolarer Explizitheit Emma vorerst ängstlich zurückschreckt. Doch gerade Levins Mutter ist es letztlich, die die Ereignisse dynamisiert: Als einstige Meeresbiologin ist sie durch ihre psychische Krankheit auf ein Aquarium und die titelgebenden elektrischen Fische zurückgeworfen. Einmal noch möchte sie ans Meer. Und was als Emmas Flucht von diesem Ort gedacht war, wird durch diesen skurrilen Familienausflug zu einem erneuten Ankommen in Velgow. In einem Ort, der mittlerweile nicht mehr entleert, sondern neu biografisch aufgeladen erscheint.

Zur Autorin

Susan Kreller, 1977 in Plauen geboren, studierte Germanistik und Anglistik und promovierte über deutsche Übersetzungen englischsprachiger Kinderlyrik. Sie lebt mit ihrer Familie in Bielefeld und arbeitet als freie Journalistin und Autorin.

Susan Kreller ist Gewinnerin des Kranichsteiner Literaturstipendiums, wurde bereits dreimal für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert und hat ihn 2015 für ihren Roman „Schneeriese“ gewonnen.

Downloads & Infos
  • Empfehlungsliste 2020
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