| Pressemeldung | Nr. 085

Predigt von Bischof Dr. Georg Bätzing zu Pfingsten

im Hohen Dom zu Limburg am 19. Mai 2024

Liebe Geschwister im Glauben,

an einer Domkirche wird ständig gebaut. Hier an unserem Dom zeigen die grünen Schutznetze an den Westtürmen, dass eine größere Baumaßnahme dringend erforderlich ist. In solch einem Zusammenhang ist nun in Freiburg eine tolle Idee entstanden: Schulklassen sind eingeladen, Vorschläge für Objekte zu machen, die man in kleinen Aluminiumdosen hoch über dem Dach der Münsterkirche in ein neu gestaltetes Sandsteinelement am Chorraum einschließen will. Was sollen diese Zeitkapseln womöglich Jahrhunderte später, wenn sie einmal geöffnet werden, unseren Nachfahren über uns und unsere Zeit erzählen? Das ist die Frage. Die Schülerinnen und Schüler haben große Freiheiten, selbst zu entscheiden, wie sie ihre Zukunftsbotschaft gestalten, mit was die Zeitkapseln gefüllt werden sollen. Zeitkapseln ganz besonderer Art habe ich Ihnen heute Morgen mitgebracht. Es sind die drei aufeinanderfolgenden Limburger Gebet- und Gesangbücher der letzten 70 Jahre, und sie spiegeln auf eindrucksvolle Weise, wie gläubige Menschen in der jeweiligen Zeit persönlich und miteinander beten, gemeinsam Gottesdienst feiern und ihren Glauben in Liedern und Gesängen ausdrücken wollten.

Da ist zunächst das letzte Limburger Diözesangebet- und Gesangbuch. Am Pfingstfest 1957 wurde es eingeführt. Zur Vorstellung schrieb Bischof Wilhelm Kempf: Dem „Pfingstereignis will unser neues Gebet- und Gesangbuch dienen. Es will uns, den Menschen der neuen Zeit, helfen, im Singen und Beten mit Herz und Mund die Großtaten Gottes zu preisen. Es will dazu beitragen, dass wir, die Kinder einer zerspaltenen und zerrissenen Welt, in der Gemeinschaft des eucharistischen Brotbrechens und in der brüderlich-liebenden Verbundenheit des neuen Gottesvolkes innerlich immer mehr zusammenfinden und zusammenwachsen“. Wie aktuell das heute noch klingt! Dieses Buch enthält viel mehr Texte als Lieder. Es war die Zeit, als die Heilige Messe noch nicht in unserer Muttersprache gefeiert werden konnte. Um aber den Mitvollzug zu ermöglichen, war das Gesangbuch zugleich ein persönliches Messbuch, in dem die wichtigsten Texte der Liturgie der Sonn- und Feiertage in Deutsch nachvollzogen werden konnten. Neue liturgische Erkenntnisse sollten der Frömmigkeit zugutekommen. Das Wort der Heiligen Schrift stand bei den konkreten Anregungen zum Gebet im Mittelpunkt. Bei der Liedauswahl mit vielen lateinischen und deutschen Gesängen gab es im Vorfeld schon verbindliche Absprachen mit anderen deutschen Bistümern. Und, was mir direkt ins Auge fällt, viele Lieder sind nur mit Text und ohne Melodien abgedruckt. Offenbar konnte man gut darauf verzichten, weil die meisten Katholikinnen und Katholiken mit der Singweise ohnehin vertraut waren.

Noch einmal schrieb Bischof Wilhelm Kempf das Geleitwort, als am 1. Mai 1975 das Gotteslob als erstes gemeinsames katholisches Gebet- und Gesangbuch im deutschsprachigen Raum eingeführt wurde. Wir haben uns längst daran gewöhnt: Das Gotteslob hat einen großen gemeinsamen Stammteil mit Gesängen und Gebeten und einen kleineren, sich auch teilweise verändernden Anhang für jedes Bistum. Und der enthielt in Limburg vor 50 Jahren eine große Auswahl Neuer Geistlicher Lieder. Das Notenbild mit Akkordzeichen deutet an, dass längst nicht mehr nur „a cappella“ oder mit Orgelbegleitung gesungen wurde; die Gitarre, Flöte, Saxophon und Schlagzeug hatten Kirchenräume und öffentliche Orte für den Gottesdienst längst erobert. Drei Dinge springen mir besonders ins Auge: Das erste Gotteslob enthielt viel ökumenisches Liedgut. Die große Zahl von Psalmen für den persönlichen und gottesdienstlichen Gebrauch ist bemerkenswert. Und neben einer Vielfalt gottesdienstlicher Versammlungen über Eucharistiefeier, Sakramentenspendung, Stundengebet und Andachten war das Buch ein echtes Hausbuch für Familien mit Impulsen und Anregungen für Glaubensvertiefung und Gebetspraxis zu Hause. Bei der Planung dieses ersten großen gemeinsamen Wurfes im deutschsprachigen Raum legte man hier in Limburg großen Wert auf gute regionale Abstimmungen mit den Bistümern Trier und Mainz, Speyer und Fulda. Und – vielleicht noch etwas Kurioses: Unter der Nummer 837 („Das könnte den Herren der Welt ja so passen“) mit einem Text von Kurt Marti und einer Melodie von Peter Janssens findet sich ein längerer Kommentar, um dem Missverständnis eines rein politischen Messiasbildes vorzubeugen. Dieses Lied hat es übrigens nicht mehr in das neue Gotteslob geschafft, wie viele andere der Neuen Geistlichen Lieder der Auswahl von 1975 auch nicht. Sie waren modern, aber zeitbedingt und wurden offensichtlich von der fortschreitenden Zeit überholt oder einfach nicht wirklich breiter angenommen. Ich finde es immer noch ganz erstaunlich, dass dieses erste Gotteslob vierzig Jahre lang getragen hat.

Vor genau zehn Jahren, zu Pfingsten 2014, wurde dann das völlig neu erarbeitete neue Gotteslob in Limburg eingeführt – und im Vergleich zu den vorhergehenden Büchern zeigt es in seiner Gestaltung grundlegende Veränderungen in der Frömmigkeits- und Gottesdienstpraxis und in der Notwendigkeit für Erklärstücke Anzeichen der drastisch abnehmenden Kirchenbindung und Gebetspraxis vieler Katholikinnen und Katholiken. Alles beginnt in diesem Buch mit Impulsen für den persönlichen und gemeinschaftlichen Umgang mit der Heiligen Schrift. Erklärtexte wollen hinführen zur Feier der Sakramente, zur Heiligen Messe, zu Wortgottesfeiern und zur Liturgie der Tagzeiten. Für besondere Anlässe in der Familie werden Formulare angeboten, etwa zur Segnung des Adventskranzes, für ein Hausgebet im Advent, für die Feier am Heiligen Abend, eine Dank- und Segensfeier und ein Hausgebet für Verstorbene. Im Limburger Anhang finden sich zudem Erläuterungen zum Kirchenraum mit seinen besonderen Orten, zu liturgischen Symbolen und Gebetshaltungen; all das kein selbstverständliches Wissen mehr. Nach wie vor spiegelt unser Diözesananhang neben viel traditionellem Liedgut den Schwerpunkt Neuer Geistlicher Musik, der in unserem Bistum seit Jahrzehnten gepflegt wird und überaus beliebte „Schlager“ hervorgebracht hat. Und, auch das gehört zu Limburg: Ein Gebet für unsere Partnerschaften in der Weltkirche findet sich im Anhang.

Drei Bücher als Zeitkapseln. Uns heute ist das Gotteslob ein Handbuch des Glaubens. Und die früheren Gebet- und Gesangbücher erzählen, was damals als wichtig und unterstützenswert galt. Die Zeiten ändern sich – und wir uns mit ihnen. Übrigens: Wissen Sie auf Anhieb, wo Sie zu Hause ihr neues Gotteslob aufbewahren? Und darf ich noch genauer fragen: Erinnern Sie sich, wann Sie es zum letzten Mal in die Hand genommen haben? Denn etwas hat sich nach der Einführung des ersten Gotteslob wesentlich verändert, mit deutlichen Vor- und Nachteilen. Kaum irgendwohin müssen wir noch unser eigenes Gesangbuch mitbringen, wenn wir Gottesdienst feiern. Es liegt in fast allen Kirchen und Kapellen aus. Das hat leider auch dazu geführt, dass der Griff nach diesem wunderbaren Glaubensbuch zu Hause eher selten erfolgt. In den Jahren der Pandemie, da haben freilich viele Gläubige ihr Gotteslob wiederentdeckt und Zeiten des Gebetes als tröstend und stärkend empfunden. Und unsere Streaminggottesdienste aus der Kapelle des Bischofshauses führten dazu, dass sich Gläubige weit über die Grenzen des Bistums hinaus für das Limburger Gotteslob interessierten, um gut mitfeiern, mitbeten und mitsingen zu können. Vielleicht nehmen Sie Ihr Gotteslob ja daheim zum zehnjährigen Jubiläum wieder einmal zur Hand, blättern darin und finden Überraschendes. Es lohnt sich wirklich.

Gebet- und Gesangbücher als Zeitkapseln. Eine berührende persönliche Erinnerung will ich Ihnen noch erzählen: Zur Heilig-Rock-Wallfahrt 1996 waren auch 17 brasilianische Bischöfe nach Trier eingeladen, deren Vorfahren aus Deutschland stammten und vor langer Zeit notgedrungen in die neue Welt ausgewandert waren. Beim Festgottesdienst brachte der Sprecher dieser Bischöfe das wie einen Schatz gehütete Gesangbuch seiner Vorfahren mit, das diese bei der Überfahrt und in den ersten Jahren benutzt hatten, bevor ein geregeltes gottesdienstliches Leben aufgebaut werden konnte. An diesem Gesangbuch hatten sich die einfachen Menschen aus dem Hunsrück und dem nördlichen Saarland in der neuen Welt festgehalten, und es hat sie im Glauben bewahrt. Jetzt brachten es die Nachfahren in die alte Heimat zurück und schenkten es dem Bischof als Zeichen der Verbundenheit. Unser Gotteslob ist wirklich eine Kostbarkeit. Es will dem Pfingstereignis dienen, denn, wie Bischof Wilhelm Kempf vor beinahe 70 Jahren schrieb, „es will uns, den Menschen der neuen Zeit, helfen, im Singen und Beten mit Herz und Mund die Großtaten Gottes zu preisen“.

Lesungen:     Apg 2,1–11;   Gal 5,16–25
Evangelium:     Joh 15,26–27;16,12–15

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