| Pressemeldung

Erklärung des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, zum Bericht der Bundesregierung "Lebenslagen in Deutschland"

Durch den von der Bundesregierung vorgelegten Bericht stehen Daten zur Verfügung, die vieles in den bisherigen Einschätzungen bestätigen. Wir hoffen, dass dieser Bericht eine breite Diskussion auslöst, da Themen behandelt werden, die über konkrete Einzelmaßnahmen hinausgehen und Veränderungen in den Grundhaltungen von Menschen betreffen. Die Kirche stellt die Option für die Armen und Benachteiligten in den Mittelpunkt. Das wird nicht nur für die Kirche ein wichtiger Prüfstein sein.
Alle Menschen müssen ausreichend teilhaben können am gesellschaftlichen Leben. Es entspricht der Würde des Menschen, dass er in die Lage versetzt wird, selbst sein Leben zu gestalten. Wo der Einzelne dies nicht aus eigener Kraft vermag, ist er auf Hilfen angewiesen. Ziel muss es sein, den Ausschluss von Menschen aus dem gesellschaftlichen Leben aufzubrechen. Eine häufige Form des Ausschlusses, die auch mit Formen der Armut einhergeht, ist die Arbeitslosigkeit und ein Mangel an Bildung und Ausbildung. An diesen grundlegenden Übeln muss angesetzt werden. Prävention ist besser als nachträgliche soziale Korrekturen. Dazu gehört auch eine gerechte Vermögensverteilung, für die sich die Kirche schon immer eingesetzt hat und die wirkungsvoll gefördert werden muss. Dabei hat der Abbau des Ost-West-Gefälles eine besondere Priorität.
Der Bericht bestätigt bisherige Erkenntnisse einer Zunahme der Armut von Familien seit 1973 und zeigt, dass über aller Familienformen hinweg das Armutsrisiko der Familien mit der Kinderzahl ansteigt. Familien in den unteren Einkommensgruppen sind häufig auf ergänzende Sozialhilfe angewiesen, weil das Einkommen für mehrere Personen nicht ausreicht. Von Armut sind besonders kinderreiche Familien, junge Familien, Alleinerziehende und - wovon noch die Rede sein wird - manche Ausländergruppen betroffen. Für diese Gruppen besteht dringender Handlungsbedarf. Von der Bundesregierung ist zu erwarten, dass sie der auch vom Bundesverfassungsgericht in mehrfacher Hinsicht festgestellten Benachteiligung von Familien im Steuer- und Sozialversicherungssystem mit entschiedenen Maßnahmen begegnet. Diese dürfen sich nicht am untersten Rand des gerade noch Verfassungsgemäßen bewegen. Die Familien mit geringem Einkommen sind dabei in besonderem Maße zu berücksichtigen.
Zur Armutsbekämpfung gehört in besonderer Weise auch die Bildungspolitik. Auch sind Schritte zur Förderung der Chancengleichheit im Bildungswesen, insbesondere mit Blick auf die ausländischen Jugendlichen, zu befürworten. Allerdings darf Bildung nicht nur als wirtschaftliche Ressource betrachtet werden. Bildung meint immer auch Persönlichkeitsbildung, zu der Kreativität und soziale Verantwortungsbereitschaft gehören, die zumindest langfristig auch der wirtschaftlichen und technologischen Entwicklung zugute kommen.
Unsere besondere Sorge gilt den Migranten. Sie sind überdurchschnittlich von Arbeitslosigkeit und Armut betroffen. Die Situation von Flüchtlingen und "Menschen ohne Aufenthaltsstatus" darf nicht allein eine karitative Aufgabe für die Kirche und gesellschaftliche Gruppen sein. Wir werden demnächst in einer Erklärung auf die schwierige Lage der "Illegalen" hinweisen.
Der Bericht gibt aber auch Hinweise darauf, dass sich Grundhaltungen verändern müssen. Das betrifft z. B. den hohen Überschuldungsgrad bei Jugendlichen, der nicht zuletzt durch aggressive Verkaufstrategien und durch ein überzogenes Konsumverhalten entsteht. Wir müssen uns davor hüten, für alle negativen Entwicklungen die Gesellschaft als eine anonyme Größe verantwortlich zu machen.
Es ist wichtig, dass die Analyse des Berichtes auch über den Tag hinaus zu konkretem politischen Handeln führt. Teilhabe möglichst aller am gesellschaftlichen Leben, am wirtschaftlichen Fortschritt und an den Bildungsmöglichkeiten ist ein wichtiger Beitrag zum sozialen Frieden und eine gemeinschaftliche Aufgabe.

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